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Vorratsdatenspeicherung als Angriff auf bĂŒrgerliche Freiheiten

von 4. Mai 2011 Kein Kommentar

Anm. Gastbeitrag geschrieben von Susanne Zöhrer in der Kategorie “Medien, Technologie und die Demokratie”.

Vergangenen Donnerstag wurde die Vorratsdatenspeicherung im Nationalrat beschlossen, man implementierte eine EU-Richtlinie, die schon seit lÀngerer Zeit umzusetzen war, die EU drohte bereits mit Strafen. Trotz allem bleiben massive Bedenken aufrecht, es gilt auch jetzt noch, sich mit aller Kraft gegen das Gesetz zur Wehr zu setzen.

Worum geht es?

Bei den Bestimmungen, die ab April 2012 die Kommunkationsbetreiber verpflichtet, alle Verbindungsdaten fĂŒr 6 Monate zu speichern (Genaueres dazu hier), handelt es sich um einen massiven Eingriff in die PrivatsphĂ€re der BĂŒrger.

Die, insbesondere in der BlogosphĂ€re geĂ€ußerten Bedenken (z.B. von Heinz Wittenbrink), gingen schon im Laufe des Gesetzgebungsprozesses unter, medial war das Thema durch seine KomplexitĂ€t offenbar wenig interessant, der Politik schien es nur recht zu sein, dass man hierum wenig Aufhebens machte.

Paranoia oder berechtigte Sorge?

Dabei bietet das jĂŒngst beschlossene Gesetz tatsĂ€chlich Grund zur Besorgnis. Warum? Ohne unbedingt zu krankhafter Paranoia einzuladen, aber Beispiele aus der Vergangenheit haben immer wieder gezeigt, dass im Bezug auf den Staat und seine Aufzeichnung privater Daten eine Regel wohl ewige GĂŒltigkeit besitzt:  „Wenn er kann, dann wird er“.

Als Stichworte seien hier der Skandal rund um das polizeiliche Informationssystem EKIS oder in jĂŒngerer Vergangenheit der mutmaßliche Verkauf von privaten BonitĂ€tsinformationen durch Justizbeamte erwĂ€hnt. DiesbezĂŒglich soll und muss das Vorhaben der Regierung die Daten ihrer BĂŒrger aufzuzeichnen und fĂŒr eine gewisse Dauer zu speichern, insbesondere aber sie zu verwerten und zu analysieren, alle Alarmglocken schrillen lassen.

GefĂ€hrdung bĂŒrgerlicher Freiheiten – so what!

Interessanterweise kamen Warnungen vor dem Gesetz nicht nur von BĂŒrgerrechtlern, selbst der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes bemerkte, dass der Entwurf die bĂŒrgerlichen Freiheiten gefĂ€hrdet. Wortwörtlich war man der Auffassung, dass die Bestimmungen „nicht nur als unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig, sondern auch mit ernsten Gefahren fĂŒr PrivatsphĂ€re, Meinungs- und Pressefreiheit der BĂŒrger insgesamt verbunden“ seien.  Die beiden Regierungsparteien hat das nicht davon abgehalten, das Gesetz zu verabschieden.

Zu spÀt?

Es ist nie zu spĂ€t, auch ein verabschiedetes Gesetz lĂ€sst sich mit dem nötigen Druck von Seiten der BĂŒrger wieder aus dem Gesetzbuch streichen. In einzelnen LĂ€ndern, wie z.b. in Tschechien oder Deutschland war das bereits der Fall, von den jeweiligen obersten Gerichten als verfassungswidrig erkannt, liegt der Ball nun wieder bei der EU. Und auch in BrĂŒssel scheint man mittlerweile erkannt zu haben, dass die zugrunde liegende Richtlinie eventuell problematisch sein könnte.

Egal ob Gesetz oder nicht, in einer Demokratie ist, solange es sich noch um eine handelt, nichts in Stein gemeißelt und Widerstand von Seiten der BĂŒrger ist alles andere als zwecklos.

Es geht nĂ€mlich hier um den höchstpersönlichen Bereich jedes Einzelnen – um die Speicherung und VerfĂŒgbarmachung der damit in Verbindung stehenden Informationen durch den Staat. Wer sich ein Bild davon machen  möchte, wie das in etwa aussieht, der möge sich das Zeit-Weg-Diagramm von Malte Spitz ansehen. Der Journalist hat seine Daten eingeklagt und visualisiert. Das sollte normalerweise leichtes Unbehagen auslösen. Falls nicht, möge man sich den nĂ€chsten Schritt in diesem Prozess vor Augen halten.

Das Terrorargument

Die Richtlinie, die zur EinfĂŒhrung der Vorratsdatenspeicherung fĂŒhrte, ist zu einem Gutteil ein Kind der Angst, welche ausgehend von 9/11 ĂŒber die westlichen Demokratien schwappte. In einer bis dato nie da gewesenen Panik hat man in den letzten 10 Jahren eine Überwachungs- und PrĂ€ventionsgesetzgebung geschaffen, die ihresgleichen sucht. Wer sich dagegen wehrt, wird mit dem Terrorargument plattgewalzt.

Alle Bestrebungen derartige Gesetzgebungsprozesse aufzuhalten, stoßen schließlich frĂŒher oder spĂ€ter auf den einen Einwand: Wer sich dagegen stellt, ist mitverantwortlich wenn etwas Schlimmes passiert. TerroranschlĂ€ge, Blutvergießen, 9/11, London, Madrid! Weiters: Wer nichts zu verbergen habe, wer ein braver rechtschaffener BĂŒrger sei, der habe ohnehin nichts zu befĂŒrchten.

Dabei handelt es sich aber nicht um ein Argument, sondern um einen Wunsch. Kein Gesetz macht die Toten aus NY, London oder Madrid wieder lebendig. Und kein Gesetz der Welt kann alle kĂŒnftigen Straftaten verhindern. Vor allem nicht mit allen Mitteln.

Die große StĂ€rke westlicher Demokratien ist der rechtliche Schutz der Freiheit und FreizĂŒgigkeit ihrer BĂŒrger, nicht die rechtliche EinschrĂ€nkung dieser Grundwerte. Darauf scheinen in unserer Legislative viele vor lauter Angst bereits vergessen zu haben. Auch das ein Grund sie hiermit daran zu erinnern.

Susanne 1. Mai 2011

Teaserfoto Credits Wikimedia Commons

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